Trainieren für die Katastrophe: Wie ein Onlinetraining Retter auf den Ernstfall vorbereitet

Studierende des Hasso-Plattner-Instituts haben mit Unterstützung der Malteser ein digitales Trainingsprogramm für Einsatzleitungen aus dem Rettungsdienst entwickelt. Foto: HPI/Kay Herschelmann
Im Online-Simulationsspiel werden speziell Führungskräfte darauf trainiert, wie sie bei einem echten Einsatz gemeinsam Entscheidungen treffen können. Foto: HPI / Matthias Barkowsky

Berlin. Unfälle, Massenpaniken, Anschläge: Alle paar Monate müssen Rettungskräfte der Hilfsorganisationen kleine wie große Katastrophenszenarien durchspielen, um auf den Ernstfall vorbereitet zu werden. Vor allem Führungskräfte müssen in Extremsituationen einen kühlen Kopf bewahren. Denn wenn aus Spiel Ernst wird, muss jeder Handgriff sitzen.

Am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam haben Studierende jetzt ein digitales Trainingsprogramm entwickelt, bei dem speziell die Einsatzleitungen aus dem Rettungsdienst und Bevölkerungsschutz darauf vorbereitet werden, in Notsituationen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Unterstützt wurde ihr Projekt von den Maltesern Berlin und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz- und Katastrophenhilfe (BBK).

Ehrenamtliche Führungskräfte tragen bei Katastrophen große Verantwortung

Wenn eine Katastrophe in großangelegten Szenarien realistisch nachgespielt werden soll, ist der Aufwand groß: Ein Schauplatz oder Raum muss gefunden werden und hunderte Statisten zusammengetrommelt, geschminkt und eingewiesen werden, damit sie Verletzte verschiedenen Grades glaubhaft darstellen können. Die Bachelor-Studierenden des HPI haben sich überlegt, wie die Notfallübungen weniger aufwändig gestaltet werden können und eine Art digitales Trainingsprogramm speziell für Führungskräfte vorbereitet.

Führungskräfte tragen die größte Verantwortung

Wie organisiere ich die Leute? Wie kommuniziere ich mit den Kollegen? Wie können die Patienten schnellstmöglich versorgt und stabilisiert werden. „Gerade den ehrenamtlichen Führungskräften kommt in solchen Situationen die größte Verantwortung zu. Im Online-Simulationsspiel lernen sie, wie sie wie bei einem echten Einsatz gemeinsam Entscheidungen treffen können“, sagt Christian Zöllner, der als Software-Doktorand das Studierenden-Projekt am HPI betreut. Am Lehrstuhl von Holger Giese ist sein Forschungsthema Simulationen. Zugleich ist Zöllner auch ehrenamtlicher Helfer bei den Berliner Maltesern und weiß daher, welche Herausforderungen es bei Großeinsätzen für Rettungskräfte gibt: „Die Führungskräfte sind bei Katastrophen oftmals für unterschiedliche Abschnitte zuständig. Sie müssen darauf vorbereitet sein, wie sie sich untereinander sowie mit der Leitstelle über Funk austauschen können, um gemeinsam, unter Zeitdruck und bei noch unvollständigen Informationen die Kontrolle zu behalten.“  

Katastrophe Digital: Effizientes Üben für den Ernstfall

Das digitale Simulationssystem hat den Vorteil, dass keine Verletztendarstellerinnen und -darsteller eingesetzt werden müssen. Das spart Kosten und Zeit. Damit ehrenamtliche Führungskräfte im Bevölkerungsschutz neben den oft nur einmal jährlich stattfindenden Präsenzübungen zusätzlich trainieren können, sind die Simulationstrainingseinheiten am Computer eine Möglichkeit, häufiger und einfacher für den Ernstfall üben zu können.

Technisch funktioniert das digitale Simulationsspiel so, dass die Übungsteilnehmerinnen und -teilnehmer auf einem Bildschirm Fahrzeuge, Personal und Patienten auf einer Karte verschieben können. Die Führungskräfte sehen allerdings nur ihre einzelnen Abschnitte und müssen gemeinsam organisieren, wie sie mit unübersichtlichen Situationen und großen Mengen von Verletzten umgehen und ihre Aufgaben priorisieren.  

Ihre Simulation durften die Potsdamer Studenten bereits Anfang Juni an der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz vorab vorstellen. Am 7. Juli präsentieren sie dann gemeinsam mit allen anderen angehenden Absolventinnen und Absolventen ihres Studienjahrgangs am HPI auf dem 19. Bachelorpodium ihre Software-Lösungen, die sie im Rahmen ihrer Bachelorprojekte über zwei Semester hinweg in Teams und in enger Zusammenarbeit mit externen Partnern wie den Maltesern erarbeitet haben. Die Veranstaltung wird im Livestream übertragen: https://www.tele-task.de/live/12794/

Das Projektergebnis ist als Open-Source-Software öffentlich verfügbar und kann von allen Interessierten frei verwendet: https://github.com/hpi-sam/digital-fuesim-manv/ Auch bei den Maltesern Berlin sind bereits erste Übungstermine mit dem neuen Trainingscamp geplant. Mehr Informationen zum Projekt gibt es hier:  https://hpi.de/teaching/bachelor-projects/digitales-fuehrungssimulationstraining.html